Künstliche Intelligenz (KI) ist der Begriff der Stunde. Doch wie die Technologie funktioniert und welche Implikationen das hat, wissen die wenigsten. In Robert Elliot Smith geht der KI-Forscher Robert Elliot Smith der Frage nach, wohin uns die Suche nach Künstlicher Intelligenz bringen kann.
In den 1960er Jahren gab es schon einmal einen Hype um Künstliche Intelligenz – damals handelte es sich dabei um Expertensysteme. Diese bestanden aus riesigen Wenn/Dann-Bäumen. Experten wurde zu ihrem Fach befragt: „Was würden Sie tun wenn…“ „Und was würden Sie dann tun? Und wenn das nicht so ist? Was dann?“ – so sollten diese Künstlichen Intelligenzen das Wissen der Experten für alle Menschen zugänglich machen. Das war dann so aufwendig und die Experten hatten keine Lust, all diese Fragen zu beantworten.
Wahrscheinlichkeiten
So hat das Thema dann einige Jahrzehnte geschlummert, bis es vor ein paar Jahren wieder erwachte: Diesmal nicht mit dem Wissen von Experten sondern mit der „Weisheit der Massen“. Die festen Wenn/Dann-Bedingungen wurden ersetzt durch Wahrscheinlichkeiten, die sich aus dem Verhalten ganz vieler Menschen ableitete. Dazu braucht man viele Daten – Big Data.
Machine-Learning heißt das Verfahren, mit dem dabei gearbeitet wird. Die Software schaut sich die Daten an, vergleicht sie und erstellt Statistiken. Aus diesen leitet sie Wahrscheinlichkeiten ab.
Doch was ist Wahrscheinlichkeit? Wir kennen das aus der Stochastik im Mathematikunterricht. Ein idealer, sechsseitiger Würfel hat die Wahrscheinlichkeit von 1/6, dass eine bestimmte Zahl fällt. Bei jedem Wurf wieder. Immer 1/6. Phänomene der echten Welt sind nie so ideal. Wer Würfeln spielt, weiß dass die manchmal brennen, manchmal vom Tisch fallen und vermutlich sind sie auch nie so ideal geformt, dass sie eine so exakte Chance haben.
In der Praxis hieße es, dass man einen echten Würfel 1000x würfelt und die Ergebnisse in eine Datenbank schreibt. Man braucht nicht einmal echtes Machine Learning. Hier reicht einfach Mathematik, um zu ermitteln, wie oft welche Zahl gewürfelt wurde. Das ist dass vermutlich nicht gleichmäßig 1/6, sondern abweichende Wahrscheinlichkeiten.
Eine Wahrscheinlichkeit ist dann nicht mehr ein mathematisches Konstrukt, sondern eine echte Zukunftsprognose. Doch was hilft die eigentlich? Wenn die Wahrscheinlichkeit 80% ist, dass der Zug pünktlich kommt, dann weiß ich nie, ob nur in der Vergangenheit so war, denn aus den vergangenen Verspätungen wird dieser Wert errechnet. Wenn der Zug dann nicht kommt, kann mir total egal sein, ob da jetzt die 20% eingetroffen sind.
Um bei komplexen Daten überhaupt zu einer Wahrscheinlichkeitsaussage von einer einzigen Zahl zu kommen die dann größer oder kleiner ist als eine andere, muss die lernende Maschine die Daten immer weiter und weiter vereinfachen. Oft werden die Daten immer wieder auf Gaußsche Normalverteilungen reduziert.
Intepretationen
Dass die überhaupt „Normalverteilung“ heißt, ist bereits eine subjektive Interpretation. Gerade im Bezug auf den Menschen: Was bedeutet das eigentlich, dass ein Mensch in einem Bereich normal ist? Das bedeutet, dass er statistisch zwischen anderen liegt. Als Beispiel führt Robert Elliot Smith eine Untersuchung bei Schottischen Soldaten an, deren Brustumfang gemessen wurde. Der Brustumfang, den die meisten hatten, galt dann als normal – alle anderen als unnormal.
So soll es auch beim Intelligenztest gewesen sein: Eigentlich wurde der erdacht, um herauszufinden, welches die Schülerinnen und Schüler sind, die besondere Hilfe beim Lernen benötigen. Für alle anderen sollten die ersten IQ-Tests gar nichts aussagen, weil den Erfindern bewusst was, dass sie die komplexen Fähigkeiten von Schülern in eine einzige Zahl quetschen. Das hat andere nicht davon abgehalten, IQ-Tests zur Diskriminierung von Menschen einzusetzen.
Keine Technologie ist an sich neutral, denn sie wird immer von Menschen zum Leben erweckt, die die Ideen, Vorstellungen und Vorurteile ihrer Zeit in sie hinein projizieren. Was bedeutet es, wenn die lernenden System von heute vor allem von großen Konzernen entwickelt werden, die alle Werte auf die Wahrscheinlichkeit für Profite der Unternehmen optimieren?
Robert Elliot Smith verwebt in seinem Buch auch unterhaltsame Weise persönliche Anekdoten mit historischen Begebenheiten, Wissenschaftsgeschichte und der Geschichte der Computertechnologie. Vielleicht sind KI-System zu jeder Zeit eher eine Möglichkeit für uns herauszufinden, was unsere menschliche Intelligenz eigentlich ausmacht – wie sie sich von der Technologie unterscheidet. Vielleicht sind ist KI das Loch und nicht der Donut.
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Robert Elliot Smiths Buch „Rage Inside the Machine“ hat 344 Seiten, ist bei Bloomsbury erschienen und ich habe in Deutschland dafür 23,99€ bezahlt.
Links
- via BoingBoing.net
- Homepage: rageinsidethemachine.com
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