WordPress soll gender-gerecht werden! Die Aufregung war groß, vor allem als im letzten Jahr WordPress-Guru Vladimir Simović aka Perun erklärte „Warum es wichtig ist, dass WordPress frei von Ideologien bleibt“. Nun ist es aber so: Software verändert sich. Sprache auch.
Open-Source Projekte starten oft als Hobby einer einzelnen Person, die ihre Arbeit der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Viele Projekte ignoriert die Öffentlichkeit. Einige schlagen ein und werden groß. So wie das Blog-Redaktionsystem WordPress.
Zunächst sind dann alle froh, dass das Projekt steht und die Software läuft. Dann kommen Leute aus anderen Ländern an und wollen die Bedienoberfläche auch in ihrer Sprache haben. Jemand beginnt mit der Übersetzung.
Mit der ersten Übersetzung werden Sprach-Standards gesetzt: Wie heißen denn jetzt diese zusätzlichen Teile der Software, die man dazuladen kann, um die Funktionalität des Systems zu erweitern? Modul? Erweiterung? Oder behält man einfach das Englische Wort? Extension? Plugin? Addon?
Diese und andere Fragen werden bei der ersten Übersetzung entschieden und dann in der Regel nie wieder angetastet. Alle sind froh, dass es eine vollständige, deutsche Sprachversion gibt.
Die Welt dreht sich. Das Internet verändert sich. Die Community verändert sich. Wichtige Teile der Software werden von Grund auf neu geschrieben. Alte Zöpfe werden abgeschnitten, Ballast über Bord geworfen. Den Kern der Übersetzungen packt aber niemand wieder an. Was aber vor 10 Jahren ganz klar ein „Modul“ war heißt in aktuellen Projekten wie Nextcloud „App“. Alle, die neu mit Nextcloud starten, verstehen das.
Das Projekt „Stringintelligenz“ ist gestartet, die aktuellen Bezeichnungen in der deutschen Bedienoberfläche von WordPress zu hinterfragen. Anlass dafür waren die durchgehend männlichen Bezeichnungen in der deutschen Übersetzung wie „Benutzer“ oder „Administrator“.
Die Motivation war also durchaus eine gender-gerechte Sprachversion, in der sich Menschen aller Geschlechter wiederfinden. In dem Screenshot von Vladimir Perun sieht man nun lauter Gender-Sternchen: Administrator*in, Redakteur*in usw. Den Kritikern des Sternchens gibt das natürlich Gänsehaut. Tatsächlich ist es aber so, dass die Rollen-Namen die größte Herausforderung waren, wie der Entwickler des Projekts Caspar Hübinger beim „Presswerk-Podcast“ erklärt. Für die meisten anderen Begriffe hat er Formulierungen gefunden, die oft vermutlich gar nicht auffallen und sogar kürzer sind. Und in der aktuellen Version heißt „Administrator*in“ jetzt „Administration“.
„Benutzerdefinierten Felder“ werden „Eigene Felder“
Eine der Lösungen ist, dass jetzt nicht mehr die „Benutzer“ verwaltet werden, sondern deren „Profile“. Die „Benutzerdefinierten Felder“ heißen jetzt „Eigene Felder“ und in den folgenden Beschreibungen wird einfach nur noch von den „Feldern“ gesprochen.
Ich muss mich nur selten mit den Rechte-Rollen beschäftigen. Ich muss jede Mal nachschauen, welche Rolle welche Rechte hat. Im Grunde wäre es deswegen egal, wie die heißen – und wenn sie „Super-Wichtig“, „Nicht-Ganz-So-Wichtig“ und „Unwichtig“ hießen… Man kann aber auch schauen, wo diese Begriffe überhaupt verwendet werden, und ob man das Rechte-System nicht gleich intuitiver machen könnte.
In der Profil-Verwaltung zum Beispiel kann ich einstellen, welche Rolle jemand hat. Wenn in dem Dropdown stünde, was die Rechte konkret sind, wäre das für mich eine große Hilfe: „Nur Lesen“, „Schreiben“, „Schreiben + Veröffentlichen“, „Schreiben + Veröffentlichen + Administrieren“ – Das wiederum wäre nicht nur eine Übersetzung aus dem Englischen, sondern eine Verbesserung, die gerne auch im Englischen übernommen werden sollte.
Ich finde es schade, dass diese Projekt teilweise auf solch eine Ablehnung gestoßen ist. Aber das hatte der Linguist Anatol Stefanowitsch in seinem Vortrag auf dem 29c3 bereits gefragt: Warum ist es für Menschen die sich das „Hacken“ auf die Fahnen geschrieben haben, so schwer auch die Sprache so zu hacken, dass sie besser passt?
Ideologie = Ideen, die einer Logik folgen
Ja, die Vorstellung, dass Ungleichbehandlung abgeschafft gehört, ist eine Ideologie: Ihre Anhänger*innen wollen, dass Menschen aller Geschlechter-Identitäten die gleichen Rechte haben. Wer diese Idee für richtig hält, findet logisch, dass das dann auch im Sprechen gilt. Und um konkret auf Vladimir Simovićs Vorwurf zu antworten: Open-Source ist eine Ideologie von WordPress. Einen Closed-Source Blob im WordPress-Core würde niemand akzeptieren, egal wie genial seine Funktionen wären.
Nun gibt es diese alternative Sprachversion als Plugin, das man sich zusätzlich installieren kann. Es stellt ein paar wichtige Fragen an die Übersetzungs-Community von WordPress und es stellt auch ein paar Frage grundsätzlich an die Entwicklung der Bedienungsoberfläche. Sind Männer, die etwas tun tatsächlich die beste Metapher, um zu erklären, was Teile von WordPress tun? Die Community sollte dem Projekt „Stringintelligenz“ eine Chance geben, WordPress zu verbessern. Es hat doch gerade erst begonnen.
Schreibe einen Kommentar